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Arno Schmidt
Br�ssel
Die Feuerstellung

Zwei Fragmente
Faksimile der Handschriften mit Transkription
Eine Edition der Arno Schmidt Stiftung
im Suhrkamp Verlag 2002
Bespechung von Claude Riehl

version fran�aise

franz�sischer Text

Diese beiden unver�ffentlichten Schriften erscheinen in derselben Aufmachung wie die Faksimiles des Leviathan-Manuskripts und der Dokumente zum Lilienthal-Projekt: Gro�format knapp unter Din-A3. Einband in grauem Karton mit blauem R�cken. Auf der rechten Seite, die ganz ausgezeichnet reproduzierten Manuskripten und auf der linken die sog. "diplomatische" Transkription aus den H�nden der unerm�dlichen Susanne Fischer, der Satz ist der atemberaubenden Maestria von Friedrich Forssmann zu verdanken. Die zweite Ver�ffentlichung umfasst 54 reproduzierte Zettel ebenfalls mit Transkription. Ein Foto auf dem Vorsatzblatt zeigt Arno Schmidt auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Kastel an der Saar mit Baskenm�tze und Wanderstock, ausstaffiert mit Klamotten, die nach einer englischen Soldatenuniform aussehen, wie er einen Weg zwischen massiven Steinkreuzen heraufsteigt. Am Ende des Bandes ist statt Vorsatzpapier ein Zeitungsartikel aus den 50er Jahren zu sehen, die die neuen Uniformen der Bundeswehr beklatscht.

Foto und Artikel geben die Tonlage an: In diesem Buch aus Fragmenten geht es vor allem um den Krieg oder genauer um die unmittelbare Nachkriegszeit und um einen kommenden Krieg. Wie man wei�, fehlen im Werk von Schmidt Hinweise auf den Zweiten Weltkrieg keineswegs, er bildet den Rahmen zweier Erz�hlungen, Leviathan und Aus dem Leben eines Fauns (hier besonders der dritte Teil mit der Bombardierungsszene). Bei genauerem Hinsehen sind quasi alle Romane und Erz�hlungen von diesem Motiv durchzogen, selbst da, wo man es nicht erwarten sollte, wie z.B. in der "Sommeridylle" Seelandschaft mit Pocahontas oder noch erstaunlicher in Das steinerne Herz, wo der Wortschatz geradezu vom martialischen Konnotationen und milit�rischen Anspielungen infiziert ist. Aber dennoch ist Leviathan vor allem eine Liebesgeschichte und der Versuch, eine mythische Figur des b�sen Demiurgen zu schaffen, und die Bombardierung im Faun wird zu einer genialen Groteskdichtung; die der Eingangsszene von Guignol's Band oder einigen Passagen aus F�erie pour une autre fois von Louis-Ferdinand C�line durchaus w�rdig ist. Was Arno Schmidt in diesen zwei Fragmenten zu unternehmen versucht hat, erscheint dagegen, im Vergleich mit den zitierten Texten, als eine Art Nullpunkt der Gewaltt�tigkeiten und der Leiden des Krieges, und war auch deswegen zum scheitern verurteilt.

Er beginnt mit der Niederschrift von Br�ssel im Jahre 1948, als er Leviathan, Enthymesis und Gadir bereits an Rowohlt geschickt hat. Im Gegensatz zu den drei Erz�hlungen ist dieser Text offensichtlich autobiographisch, denn die erw�hnten Namen sind die von Mitgefangenen, die wirklich mit ihm im Lager waren; es sollte auch einen polemischen Teil geben, von dem nur ein Entwurf vorhanden ist, der aber dann sp�ter in anderen Weise in der Wundert�te in Form dreier Briefe an Werner Muravski, den Bruder von Alice unter dem Titel der Anti-Goethe aufgenommen wird

Br�ssel versetzt uns mit geradezu filmischer Illusionskunst in ein deutsches Kriegsgefangenenlager in der N�he von Br�ssel. Scheinwerfer, wartende M�nner, Regen, Verteilung von Klopapier (auf das der Erz�hler Brand's Haide schreibt!), endlose Appelle; morgens, abends, d�nne Wassersuppe, Alptraum der Latrinen, Gesang, nachts das Knattern der Maschinengewehre, zwei Fl�chtende im Alter von sechzehn werden erschossen, Schl�gerei um einen Brotkanten, Appelle im Regen, Appelle in der K�lte und vor allem M�nner, die ihre Runde drehen und reden, von der Begier zu erz�hlen bedr�ngt, sich zu sagen, von allem und nichts zu reden nach Jahren erzwungenen Stillschweigens, auch von Literatur, die nach und nach in Form einiger Nummern des Reader's Digest, des Razor's Edge von Somerset Maugham und B�chern von Schweizer Wohlt�tigkeitsvereinen ankommt; die Bibel nat�rlich; Goethes Meister und Wahlverwandtschaften, Lessings Minna.

Alles beginnt am 8.Mai 45, dem Tag der deutschen Kapitulation. Einige dieser Bilder besitzen die Intensit�t der ber�hmten Momentaufnahmen, die er mosaikf�rmig in seine Texte setzt, einige (auch Redewendungen) werden in sp�teren Texten verarbeitet. Dieser Schmidt, wie er leibt und lebt, so sagt man sich, �hnelt doch ziemlich oft seinen Erz�hlern oder Figuren. So kann man nicht umhin an Gadir zu denken, eine Erz�hlung des Eingeschlossenseins, geschrieben gerade bevor er Br�ssel anfing, oder an Brand's Haide kurz danach begonnen, mit dem Erz�hler, der gerade aus einem Gefangenencamp kommt. Wie Pytheas bricht der Schmidt von Br�ssel aus dem Kerker aus mit der Kraft des Geistes: tags�ber mit seiner Logarithmentafeln, nachts mit dem "Spinnen" eines "endlosen Liebesromans mit Schiffbruch, einsamen Inseln, Not". Andererseits erinnert sich der Erz�hler von Brand's Haide an in Br�ssel beschriebene Szenen und erz�hlt sie wohl Lore und Grete, seinen Schicksalsgenossinnen.

In seiner Kritik f�r den Deutschlandfunk stellt Wolfram Sch�tte die sch�ne Hypothese auf, dass diese beiden Fragmente scheitern, weil sie nicht durch die erotische Pr�senz von Frauen befruchtet sind. Die Frau als bewegendes Prinzip der Schmidtschen Erz�hlkunst? Warum nicht, besonders wenn er dies mit einer Eleganz formuliert, die alle die nebligen Theorien des "Anderen" �berfl�ssig macht. Was den polemischen Text betrifft, so h�tte Schmidt, wenn ich recht verstehe, die sinistre Lagerrealit�t mit Goethes "feinsinniger", von der Welt v�llig abgekapselten Erz�hlkunst konfrontieren wollen. Alices Tagebuch gibt an, dass die von Arno gew�hlte Form f�r die zahlreichen und notwendigen Zitate nicht passt (die angemessene Form finden wir in den sp�ten Typoskripten mit den "Fenstern" (zur Illustration S.548 frz).) und dass darin der Grund f�r den Abbruch des Entwurfs zu sehen ist. Aber dies ist wohl nicht der einzige Grund, denn in den durchstrichenen Texten gibt es die Demolierung einer Fontaneerz�hlung und des Maugham-Romans nach allen Regeln der Kunst. Am�sant und ungerecht. Aber gleich frontal gegen den Olympier gehen? Erst 1957 wird es ihm gelingen diesen Komplex mit dem erheiternden Goethe und Einer seiner Bewunderer (vorl�ufig) zu erledigen. Was ist nun der Sinn des gescheiterten Vorhabens? Geht es ihm um die R�umung der "Erlebnisebene I." (Berechnungen II) aus der Gef�ngniserz�hlung Gadir, um die Befreiung von einem �berma� an zu bedr�ngenden Bildern, die bei dieser Gelegenheit hochgekommen waren? Geht es bei der Absicht, sich mit Goethe zu messen, dem jungen Autor darum, wie Susanne Fischer nahelegt, sich auf dem literarischen Feld eine Legitimit�t zu verschaffen? Zur Beantwortung solcher Fragen sollte man vielleicht auch das zweite Fragment des Bandes heranziehen.

Die Feuerstellung versetzt uns mitten in den Dritten Weltkrieg. Eine Abteilung (eine Zug, eine Kompanie, ein Regiment, man wei� es nicht genau) versucht den Strahlungen zu entgehen, die das Ufer der Saar verheeren. Der Erz�hler, Ballistikexperte, f�hrt die Truppe in die H�hen auf einen Vorsprung, wo sie ein Dorf besetzen, um dort eine Artilleriestellung zu installieren. Auf 160 Meter H�he sind die Strahlungen relativ schwach. Der Bericht des Aufstiegs und der Installierung (rund sechs redigierte Seiten) in diesem Dorf, das man leicht als Kastel an der Saar identifizieren kann, wo Arno Schmidt zu dieser Zeit lebte, wird im Ton eines gr��ten Realismus gegeben: die Dialoge haben milit�rische Pr�zision, in der man das Bellen in der Sprache von Wehrmachtsoffizieren wiederfindet, die Hierarchie funktioniert, die Lebensbedingungen entsprechen denen des vorhergehenden Weltkonflikts. Ein Zettel gibt allerdings an, dass die Protagonisten nicht allein Deutsche, sondern aus dem Westen sind (Europ�ische Gemeinschaft: die Uniformen mit D, F, I usw. auf den �rmeln.). Die Handlung sollte in der zweiten H�lfte der f�nfziger Jahre spielen. Ansonsten sind wir auf Konjekturen angewiesen. Offensichtlich wird die Truppe nach und nach dezimiert und der Erz�hler fl�chtet sich mit einer Frau (!) in unter dem Vorsprung liegende H�hlen, in denen sie auf H�hlenbewohner treffen. Das letzte Motiv erinnert stark an das Ende des ersten Textes von Arno Schmidt Die Insel.

Der Anfang funktioniert ein wenig wie im Fragment Lilienthal, aber der Eingangssatz ist identisch mit der Er�ffnung des dritten Teils aus dem Steinernen Herzen: "Mit wei�schuppigen Armen und spr�hendem Mantel�" Man findet andere Formulierungen aus dem Steinernen Herzen in der Feuerstellung, und dies aus gutem Grund. Diese Seiten sind auf den 19. September 1955 zu datieren, eine Notiz von Alice sagt, dass sie in einem Zug niedergeschrieben wurden, nachdem Arno mitten in der Nacht erwachte, besessen von dem Sujet, das er getr�umt hatte. Diese Betroffenheit kann sich wohl auch aus den Diskussionen und Z�nkereien erkl�ren, die er zu diesem Zeitpunkt mit Ernst Krawehl �ber die Herstellung einer "politisch korrekten" Version des Steinernen Herzens hatte. Schmidt hatte Krawehl nach dem Steinernen Herzen zwei Projekte angek�ndigt: Lilienthal und Die Feuerstellung. Auch Die Feuerstellung wurde � ein Blindg�nger. In ihrem Nachwort erkl�rt Susanne Fischer, dass das Vorhaben wegen dem eiligen Ruf an die Hochschule f�r Gestaltung in Ulm vereitelt wurde, die ihm durch Vermittlung von Max Bense ein Lehramt anbot, und auch durch die materiellen Umst�nde des blitzartigen Umzugs nach Darmstadt. Die vorhandenen Szenen scheinen gelungen und man bedauert das abrupte Abrei�en des Textes (Man kann sich in seiner Vorstellung sicher eine Folge anhand der Zettel herstellen, aber die Sprachgestaltung fehlt.) Auch hier ist es legitim zu fragen, wo der Antrieb zum Projekt und zu seiner Darstellungsform war. Es war oben schon die Rede vom Steinernen Herzen mit dem martialischen Wortschatz voller milit�rischer Anspielungen. Wie man wei�, ist ein Leitmotiv dieses Romans die Verurteilung der Wiederaufr�stung in der Bundesrepublik Deutschland: Walter Eggers, der Erz�hler, ist ausgesprochen besessen von der R�ckkehr einer deutschen Armee mit Offizieren aus dem alten Nazi-Reservoir, was zum Dritten Weltkrieg f�hren m�sse - daher vielleicht die stille Wucherung dieses Wortschatzes. Geschieht auch hier, was wir f�r Gadir und Br�ssel vermuten, also eine �bung zur Verarbeitung bedr�ngender Bilder, eine Art von "Erlebnisebene 1" zum Steinernen Herzen? Oder hat Arno Schmidt versucht endg�ltig den zeitgen�ssischen Krieg zu erz�hlen, der seiner tiefsten �berzeugung nach in den kommenden Jahren die Welt zerst�ren w�rde?

Jedenfalls war er gezwungen den Entwurf aufzugeben. Es gelingt ihm zwei Jahre sp�ter, die Auswirkungen der Zerstrahlungen in der anmutig-grotesken Gelehrtenrepublik zu beschreiben und in der Nevadaw�ste fliegende K�pfe, die Never-Nevers in Szene zu setzen und die Zenties, darunter das Zentaurenm�dchen Thalja - eine der verf�hrerischten Frauenfiguren aus den B�chern von Arno Schmidt. Die totale Zerst�rung der Erde und die Fortsetzung des Kalten Krieges auf dem Mond werden gro�artig im Kaff (1960) behandelt. Und das nach einem Atomkrieg auf ein winziges Reservat f�r amerikanische und chinesische Touristen reduzierte Europa bildet den Rahmen f�r die Schule der Atheisten (1972). Bedenkt man den autobiographischen Hintergrund der drei Alten aus Abend mit Goldrand, so h�tte man in den Lebensbeschreibungen von A&O, Eugen und Olmers die Wiederaufnahme des doppelten Versuchs erwarten k�nnen: Kriegserlebnis und Gefangenenlager zu beschreiben. Aber nichts da, au�er Anspielungen und Anekdoten �ber Norwegen, die Eugen in den Mund gelegt werden. Oder sollte man Pharos als Kondensierung und Zusammenfassung dieser Epoche ansehen? Die Platzierung gleich nach der glatten Schreibweise der Erinnerungen von A&O bildet stilm��ig einen besonderen Kontrast. Die eingeschobene Erz�hlung selbst wirft auf der Interpretationsebene noch viele Fragen auf, aber vielleicht liegt in der feuersbr�nstigen Glut der Sprache die Ank�ndigung des �u�ersten Wahnsinns der vom Krieg entfesselt wurde und der in direkter Weise oder durch einen Nullpunkt der Literatur nicht sagbar ist. Man k�nnte soweit gehen und angesichts einer solchen Feststellung und der zwei Fragmente sagen, dass Arno Schmidt den Krieg in seine Sprache gebracht hat ohne sich dessen bewusst zu sein und ohne sich dessen Rechnung ablegen zu k�nnen. Daher eine Schreibweise, die sich im Laufe der Jahre die verschiedensten Mittel erfindet, um das Chaos zu bannen, den Schmerz, das Leiden des Fragments, der Wunde, wobei eine Explosion jederzeit geschehen kann. Ger�ste wie Festungen bauen, die geringste Sinnableitung kontrollieren und damit benennen, alte Metaphern zerbrechen, das Uns�gliche unscheinbarer Geschichten aussagen, Kollegen zur Hilfe rufen f�r einen Zitatenwall, wenn die Lava kocht, allt�gliche Redeweisen unter den Presslufthammer werfen usw. Ein �u�erst prek�res Gleichgewicht, in dem Ziel und Mittel sich aufzuheben drohen. Eine Prosa, die mit dem Feuer spielt und allerlei Leuten Angst macht.

Ja, Arno Schmidt ist ein beunruhigender Schriftsteller. In dem vorliegen Fragmentenband findet sich ein dritter Titel f�r ein Projekt, aber man kann kaum noch von einem Fragment sprechen. Wir haben nur den Titel, D�sternstrasse, und eine Zeichnung mit einem Kanal in der Mitte in einem Dekor wie f�r Dr. Mabuse. Durch die Anordnung und die Perspektive erinnert die Zeichnung seltsamerweise an die der Kreuzung von Rumpffsweg und Dobelerweg, die das Geburtshaus von A&O in Abend mit Goldrand darstellt. Dieser Kanal aus dem Hamburg der Vorkriegszeit zeigt eine Besonderheit; er wird von einer Br�cke �berquert, die in ihrem unteren Teil augensichtlich eine Behausung enth�lt. Nichts zeigt an, wie man hinein- oder herauskommt. Isoliert zwischen den Ufern, mit Blick auf die K�hne, w�hrend die Welt drumherum sich wichtig tut � Der traumhafte Geburtsort des nieders�chsischen Orpheus, Georg D�sterhenn?

Claude RIEHL 2002
�bersetzung : WeB

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